„Wir müssen gierig sein“
Bernburg. So ein richtiger, echter Lautsprecher ist Mario Hesse auf dem Platz nicht. Doch der Kapitän des TV Askania Bernburg kann seine Mannschaft mit seiner Spielweise und Leistung mitreißen. Hesse ist der Antreiber im Mittelfeld und mit sechs Treffer bester Torschütze des TVA, der in seiner dritten Oberliga-Spielzeit eine äußerst durchwachsene Hinserie gespielt hat. Bernburg ist 14. und überwintert auf dem ersten Abstiegsplatz. Das eigentliche Ziel war eine Platzierung unter den ersten Sechs. MZ-Mitarbeiter Tobias Große hat sich mit Mario Hesse über die erste Saisonhälfte, die Probleme und seine persönliche Bilanz unterhalten. Der Kapitän ordnete die Situation ehrlich und auch kritisch ein.
Herr Hesse, Sie sind jetzt seit anderthalb Jahren in Bernburg. In dieser Zeit haben Sie einen Kreuzbandriss erlitten, sechs Monate später bereits Ihr Comeback gegeben, sind unter einem neuen Trainer als Kapitän in die laufende Saison gegangen, in den Abstiegskampf gerutscht, haben einen weiteren Trainerwechsel miterlebt und überwintern jetzt auf einem Abstiegsplatz. Eine ganz schöne Liste für 18 Monate Askania Bernburg. Zu erwarten war das alles sicher nicht, oder?
Hesse: Nein, natürlich nicht. Eigentlich wollten wir genau in die andere Richtung.
Dann bleiben wir doch direkt mal bei der dieser Saison stehen. Der Verein ging sehr zuversichtlich in die Serie, verpflichtete viele regionalligaerfahrene Spieler und wollte unter die Top-Sechs. Warum läuft es nicht so wie gewollt?
Hesse: Zum einen denke ich, hatten wir auch ein bisschen Pech. So schlecht haben wir nicht immer gespielt, wie wir jetzt dastehen. Zum anderen haben wir aber einfach auch nicht das abgerufen, was wir uns alle von uns erhofft haben.
Woran lag das?
Hesse: Ich weiß es nicht genau. Vielleicht waren wir auch nicht immer gewillt, alles so zu geben, wie man es hätte machen können. Dazu kam noch das Verletzungspech, so dass wir nur zwei-, dreimal die gleiche Startelf aufbieten konnten. So kam keine Konstanz rein.
Sie haben gerade erwähnt, dass die Mannschaft vielleicht nicht immer gewillt war, alles zu geben. Gibt es ein Mentalitätsproblem?
Hesse: Es war eine Zeit lang so, dass auch ich das Gefühl hatte, dass sich nicht jeder der Situation bewusst war. Und deswegen kam es auch dazu, dass, vielleicht nicht bewusst, aber nicht immer das Maximale herausgeholt wurde.
War die Zielstellung mit Platz sechs rückblickend überhöht?
Hesse: Ja, im Nachhinein schon.
Lucian Mihu, der im letzten Sommer das Traineramt übernommen hatte und das Ziel ausgab, hatte eine sehr direkte und ehrliche Art. Haben sich manche Spieler auch hinter dieser Art versteckt und sie vielleicht sogar als Ausrede benutzt?
Hesse: Das Problem kam auch dazu, ja.
Wie war er denn als Trainer und sollte man als Oberliga-Fußballer nicht ein dickeres Fell haben und Kritik auch mal einstecken können?
Hesse: Ich persönlich bin mit ihm gut klargekommen. Und ich denke auch, dass man in der Oberliga Kritik abkönnen sollte. Zumal Lucian nie jemanden verbal angegangen ist. Er hatte seinen Plan vom Fußball - und der sollte funktionieren. Aber es kam halt dazu, dass sich ein Paar rausgenommen haben, da er die Verantwortung hatte.
War der Trainerwechsel nach nur elf Spielen deswegen die richtige Entscheidung?
Hesse: Ich denke, für Lucian selber war es auch eine anstrengende Zeit, da er nebenbei auch noch seinen Trainerschein gemacht hat. Und manche Spieler hatten sicher auch einen frischen Wind nötig.
Ergebnistechnisch hat sich der Wechsel zu Benjamin Lehmeier bei vier Niederlagen in fünf Spielen bisher nicht ausgezahlt. Woran lag das?
Hesse: An den Sachen, an denen wir jetzt in der Pause ansetzen müssen. Wir müssen gierig sein, die Dinger vorne reinzumachen und gierig sein, die Dinger hinten zu verteidigen. Das muss bei uns viel mehr durchkommen.
Wie kann man so etwas in kurzer Zeit in die Mannschaft bringen?
Hesse: Ganz einfach durch Einstellung, Wille und Ehrgeiz.
Ist Benjamin Lehmeier mit seinen gerade einmal 26 Jahren dieser Aufgabe schon gewachsen?
Hesse: Ich denke schon. Da er uns schon eine Weile kennt, ist der Umgang leicht. Man merkt auch, dass ihn das Ganze beschäftigt. Er sucht neue Ideen. Und man muss auch sagen, dass wir in den fünf Spielen unter ihm auch viel Pech hatten. Das kann man nicht auf ihn zurückführen.
Mit Lettlands Ex-Nationalspieler Maksims Rafalskis steht der erste Winterneuzugang des TVA bereits fest. Sollten ihm weitere folgen?
Hesse: Welche Neuzugänge konkret kommen sollen, kann ich nicht sagen. Aber das noch etwas passieren muss, ist, denke ich, allen klar.
Aber muss man nicht auch aufpassen, dass man sich nicht komplett von der Region entfremdet?
Hesse: Die Gefahr besteht natürlich, aber in erster Linie müssen wir schauen, dass es bei uns wieder läuft. Und da ist es egal, wer da auf dem Platz steht, solange er uns weiterhilft.
Dann kommen wir abschließend mal auf Sie persönlich zu sprechen. Sie standen nach Ihrem Kreuzbandriss in der vergangenen Saison bereits sechs Monate später wieder auf dem Feld. Viele Spieler brauchen nach so einer schweren Verletzung länger. Was war Ihr Geheimnis?
Hesse: Ich hab damals schon sehr früh, noch vor der normalen Reha, mit einer privaten Reha angefangen. So habe ich mehr Rückstand wettgemacht. Ich wollte so schnell wie möglich wieder spielen.
Man sagt ja auch immer, dass man nach einer schweren Verletzung noch einmal die gleiche Zeit wie die Ausfallzeit braucht, um wieder in Top-Form zu kommen. Auch das schien bei Ihnen schneller zu gehen. Sie sind Antreiber der Mannschaft und mit sechs Toren auch ihr bester Torschütze
Hesse: Das es sportlich für mich persönlich zur Zeit gut läuft, hatte ich eine Weile nicht. Aber ich hab auch den Anspruch an mich, dass es so laufen muss, wie es jetzt läuft.
Zum Abschluss mal ganz fies gefragt: Wenn es für Sie persönlich so gut läuft, wie es jetzt läuft. Sind Sie dann nicht zu gut, um in der Oberliga gegen den Abstieg zu spielen?
Hesse:(lacht) Ich sag es mal so: Ich bin schon der Meinung, dass ich in den oberen Oberligafußball-Bereich gehöre. Und mein Ziel ist es auch, mindestens noch einmal Regionalliga zu spielen. Und das traue ich mir auch weiter zu.