Für den Fußball um die Ecke
Bernburg. Nein, früher war nicht alles besser - ganz im Gegenteil. Mitunter gab es sogar in der Bundesliga schreckliche Ballvergewaltigungen zu beobachten. Aber früher schaute man ein Ligaspiel und dachte sich wenigstens für ein paar Minuten: Das kann ich auch!
Freilich war das schon damals naive Augenwischerei, aber dennoch verband einen dieser Gedanke mit dem Spiel. Und er half vielleicht sogar dabei, die Liebe dazu zu vertiefen. Diese Zeiten sind aber vorbei. Der Fußball ist mittlerweile schneller, athletischer, die technischen Voraussetzungen einiger Spieler grenzen an anatomisch Unmögliches.
Dennoch kann man sie auch heute noch beinahe überall finden, diese „Früher-war-alles-besser-Einstellung“ unter einigen Zuschauern. So ist es auch bei Spielen des Fußball-Oberligisten Askania Bernburg.
Die ganze Saison im Abstiegskampf
Klar, Bernburg steckt die gesamte Saison schon im Abstiegskampf. Klar, die Mannschaft hat in der abgelaufenen Hinrunde kein einziges Heimspiel gewonnen.
Aber oft hat das Team auch besser gespielt, als das, was unter dem Strich zu Buche stand. Freilich haben die Zuschauer einen gewissen Eintritt bezahlt und dürfen deshalb auch meckern, wenn ihnen das Treiben auf dem Rasen nicht passt. Aber ist ein aufmunterndes Wort nicht besser als ein Grummeln oder die stete Forderung danach, den immer nächsten Ball „nach vorne“ zu schlagen?
Kritisches Publikum muss sein
Michael Angermann weiß ziemlich genau, dass das Publikum in Bernburg ein kritisches ist. Askanias Präsident sagt allerdings auch: „Es ist wichtig, dass wir diese Leute immer da haben.“ Sie sind Stammzuschauer. Und gehören damit einer Gattung an, die rar ist in Bernburg.
Nur dreimal kamen in der abgelaufenen Hinrunde mehr als 100 Zuschauer in die Sparkassen-Arena. Ein Spiel davon war gegen Chemie Leipzig (481), das gut 350 eigene Leute mitbrachte. Im ersten Saisonspiel gegen Bischofswerda (242) wollten viele die neue Mannschaft sehen. Das dritte Mal war gegen Jena II (124).
Gängige Fußball-Zeit nicht mehr attraktiv
Michael Angermann hat bereits zuletzt im MZ-Interview angesprochen, dass seiner Beobachtung zufolge das allgemeine Interesse am Fußball um die Ecke abgenommen hat.
Bemerkenswert ist dabei, dass vor allem die gängige Fußballzeit am Samstagnachmittag kaum noch angenommen wird. Nur das Spiel gegen Chemie besuchten an einem Sonnabend mehr als 100 Zuschauer. Die Partien gegen Bischofswerda und Jena waren sonntags.
Vom Fußball übersättigt
Das liegt zum einen daran, dass man eine generelle Übersättigung des Fußballs nicht von der Hand weisen kann. Beinahe jeden Tag kann man irgendwo, irgendwelche Spiele im Fernsehen gucken. Das nebenan auch guter Fußball wartet, wird mitunter oft vergessen. Zum anderen finden zeitgleich viele weitere Partien im Umkreis statt.
Und: „Viele Zuschauer haben ihren Verein, zu dem sie immer gehen“, sagt Askania-Präsident Angermann. Auch die Spieler, die dann selber spielen, können nicht zugucken.
Vier Duelle schon am Freitag
Bernburg versucht in der Oberliga-Rückrunde jetzt, dem entgegenzusteuern. Vier der acht Heimspiele - allesamt auch Sachsen-Anhalt-Duelle - wird der Verein an einem Freitagabend austragen. Das erste bereits am bevorstehenden Freitagabend (Anstoß: 18 Uhr) gegen den Tabellenletzten VfL Halle 96.
Was sich Askania davon erhofft, ist klar. „Zu dieser Zeit sind in der Regel keine anderen Spiele in der Umgebung“, meint Michael Angermann. Bernburg erhofft sich mehr Zuschauer als zum Beispiel an einem Sonnabend. Ob das auch Auswirkungen auf die Mannschaft hat?
Jeder Punkt wird gebraucht
Das Team von Coach Benjamin Lehmeier braucht im Abstiegskampf jeden Punkt, vor allem zu Hause, vor allem gegen direkte Konkurrenten wie Halle. „Es macht für die Spieler natürlich mehr Spaß, vor 150 statt nur 50 Zuschauern aufzulaufen“, meint Lehmeier, „das ist ja auch eine gewisse Wertschätzung.“
Der Trainer hofft auf ansteigendes Interesse in der Rückrunde. Dafür kann zum einen Erfolg sorgen. Aber ein Stück weit auch die Termine am Freitagabend. Im Sinne des Fußballs um die Ecke quasi.
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Insgesamt haben 1.153 Zuschauer die sieben Heimspiele des TVA besucht. Das macht im Schnitt 164 Zuschauer pro Spiel.
Bischofswerdaer FV 242
FC International Leipzig 88
BSG Wismut Gera 71
Carl-Zeiss Jena II 124
BSG Chemie Leipzig 481
VFC Plauen 99
SV Schott Jena 48